Bedaquilin zur Therapie der multirestenten Tuberkulose in Deutschland
Tuberkulose (TB) ist weltweit die Infektionskrankheit mit den meisten Todesfällen durch einen bakteriellen Erreger. Der Jahresbericht der WHO zeigt aktuell sogar einen Anstieg der TB-Mortalität, welcher zumindest teilweise auf Versorgungsdefizite während der Coronaviruspandemie zurückgeht. Das internationale Ziel der Eliminierung der TB wird damit um Jahre zurückgeworfen. Die multiresistente (MDR)-TB, bei der eine Resistenz gegen die zwei wichtigsten TB-Medikamente Isoniazid und Rifampicin besteht, ist vor allem in Osteuropa ein zunehmendes Problem. Die Medikamente zur Behandlung der MDR-TB sind schlechter verträglich, müssen in der Regel über 18 Monate eingenommen werden und führen häufiger zu Therapieversagen als die 6-monatige Standardtherapie.
In Deutschland wurden in den letzten Jahren 79 – 107 MDR-TB-Fälle pro Jahr registriert (2015 – 2020, RKI-Berichte). Durch den Krieg in der Ukraine muss jedoch mit einer Zunahme der MDR-TB-Fälle um das 2-3-fache gerechnet (WHO-Rechner). Die in der Ukraine erworbenen MDR-TB-Erreger haben oft zusätzliche Medikamentenresistenzen und die Therapie ist häufig durch Koinfektionen z.B. mit HIV erschwert. Daher ist die in der Regel notwendige stationäre Behandlung mit hohen zusätzlichen Therapiekosten verbunden. Für die ambulante Weiterversorgung fehlen neben der Erfahrung im Umgang mit komplexen MDR-TB-Fällen oft wohnortnahe Strukturen und die Kosten der ambulanten MDR-TB-Therapie stellen ebenfalls eine Hürde dar.
Sirturo® ist ein Medikament mit dem Wirkstoff Bedaquilin, der im Jahr 2014 zugelassen wurde. Es handelt sich seit den 1960er Jahren, um den ersten neu zugelassenen Wirkstoff, der spezifisch gegen den Erreger der TB – Mykobakterium tuberculosis – wirkt. Bedaquilin greift in die mykobakterielle Energiegewinnung auf zellulärer Ebene ein und zeigt experimentell wie auch in klinischen Studien beim Menschen eine sehr gute bakterizide Wirksamkeit und Verträglichkeit.
In Deutschland wurde im Jahr 2019 eine Nutzenbewertung durch den gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vorgenommen. Für erwachsene Patientinnen und Patienten mit pulmonaler MDR-TB wurde ein beträchtlicher Zusatznutzen festgestellt, „wenn ein wirksames Behandlungsregime aufgrund von Resistenz oder Unverträglichkeit nicht anders als mit Bedaquilin (als Teil einer geeigneten Kombinationstherapie) zusammengestellt werden kann“. Dieser Einsatzbereich entspricht dem eines Reservemedikaments. Die aktuellen internationalen Empfehlungen der WHO (2020) zur Behandlung der MDR-TB sehen den Einsatz von Bedaquilin in erster Linie vor und nicht erst nach Ausschöpfung anderer Therapiemöglichkeiten. Die neue deutsche S2k-Leitlinie zur TB-Therapie bei Erwachsenen schließt sich dieser Empfehlung an und spricht eine starke Empfehlung für Bedaquilin bei MDR-TB in erster Linie aus.
Die rein medikamentösen Kosten für eine MDR-TB Therapie in Deutschland betragen mehr als 55.000 Euro für eine 18 -monatige Therapie (Diel et al. IJID 2021). Hiervon entstehen mit knapp 35.000 Euro mehr als 60% der Kosten durch Bedaquilin. Die Kosten dieses neuen und unverzichtbaren Medikaments sind im DRG-System nicht abgebildet, so dass die stationäre Behandlung für Krankenhäuser defizitär ist. Zudem erfüllt Bedaquilin in Deutschland nicht die Kriterien für Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Status 2), so dass Krankenhäuser keine zusätzlichen Entgelte verhandeln können. Dennoch müssen MDR-TB-Therapien nahezu immer stationär eingeleitet werden und aufgrund der schlechten Verträglichkeit der Therapie ist in der Regel eine stationäre Therapie über Monate notwendig. Eine Lösungsmöglichkeit könnte die Trennung der Medikamentenkosten von den Krankenhauskosten sein.
Die Deckung der Kosten für die MDR-TB-Therapie muss dringend gesichert werden, damit die notwendigen Bedingungen für die aufwändige Versorgung geschaffen bzw. erhalten werden können und keine Benachteiligung für diese vulnerable und schwer zu behandelnde Patientengruppe entsteht. Eine schnelle Diagnose und effektive Therapie sind momentan die einzigen Möglichkeiten, um die Weiterverbreitung resistenter TB-Erreger zu stoppen