TB-PRACTECAL Studie – erste Daten zur Therapieverkürzungsstudie bei MDR-TB
Die Ergebnisse der von Ärzte ohne Grenzen unterstützten Studie TB-PRACTECAL wurden im Oktober 2021 auf der Konferenz der Internationalen Union gegen Tuberkulose und Lungenkrankheiten (IUTLD) vorgestellt. Es handelt sich um eine randomisierte, vierarmige, open-label Phase IIb-Studie, die auf Nicht-Unterlegenheit ausgelegt war und bei MDR-/XDR-TB drei verschiedene 6-monatige Behandlungen mit dem WHO-Therapiestandard (standard of care = SOC) verglichen hat. Der Therapiestandard war infolge von Änderungen der WHO-Empfehlungen seit 2017 nicht über die gesamte Studienzeit einheitlich. Mehr als ein Drittel der SOC-Gruppe wurde mit einer WHO-Kurzzeittherapie über 9 Monate behandelt und knapp zwei Drittel individualisiert über ca. 18 Monate. Drei Viertel der Teilnehmer erhielten Bedaquilin. Die bereits zugelassene Kombination BPaL (Bedaquillin, Pretomanid, Linezolid) wurde in einem der experimentellen Arme der Studie verwendet und zeigte nach 8 Wochen Behandlung den geringsten Anteil an Sputumkultur-Konversionen (47%) gegenüber den anderen beiden experimentellen Studienarmen mit 77% (BPaL+Moxifloxacin) und 67% (BPaL + Clofazimin). Die Zulassungsstudie für BPaL (NixTB) verwendete 1200 mg Linezolid und beobachtete darunter häufige unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAWs). In der PRACTECAL-Studie wurde Linezolid in einer Dosierung von 600 mg verwendet und es wurde dem Studienarzt überlassen, Linezolid zur besseren Verträglichkeit auf 300 mg zu senken.
Nach Sichtung der Studiendaten empfahl ein unabhängiges Komitee die Weiterführung der Studie als Phase III mit einer Kombinationsbehandlung bestehend aus Bedaquilin, Pretomanid, Linezolid und Moxifloxacin (BPaLM). Dabei erhielten jeweils mehr als 60 Personen SOC und BPaLM. Bereits Im März 2021 wurde die Patientenrekrutierung auf Anraten eines unabhängigen Komitees wegen der Überlegenheit des experimentellen Studienarms gestoppt. Der Anteil der Kulturkonversionen nach 6 Monaten war in beiden Armen hoch. Der Therapieerfolg nach 18 Monaten Nachbeobachtung war jedoch in der modifizierten „Intention to treat“ (ITT) Population mit 89% nach BPaLM deutlich höher als nach SOC mit 52%. Grund für die schlechteren Therapieergebnisse bei SOC waren frühzeitige Therapieabbrüche vor allem in den ersten 8 Wochen. Das vollständige Studienprotokoll konnte in der BPaLM-Gruppe von 57 Teilnehmern im Vergleich zu nur 33 Teilnehmern in der SOC-Gruppe durchlaufen werden. Die Analyse der „per protocol“-Population zeigte einen Therapieerfolg von 97% (BPaLM) bzw. 88% (SOC) und somit die Nicht-Unterlegenheit des Studienarms. UAWs waren der häufigste Grund für Therapieabbrüche in der SOC-Gruppe (n=16), insbesondere QT-Zeit-Verlängerungen (n=6), Leberfunktionsstörungen (n=4) und Hörverlust (n=2). Vor dem Hintergrund der bei Studienbeginn unklaren Daten zu Todesfällen in den Zulassungsstudien von Bedaquilin waren die Abbruchkriterien im Sinne der Patientensicherheit eng gefasst. Ein Versagen der Therapie wurde in beiden Gruppen nicht beobachtet. 2 (3%) Studienteilnehmer verstarben, beide in der SOC-Gruppe. „Lost to follow-up“ wurde nach 18 Monaten Beobachtung bei nur 3% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer dokumentiert. Therapieunterstützung und directly observed therapy (DOT) waren Bestandteil des Studienprogramms und konnten auch unter den Bedingungen der SARS-CoV-2-Pandemie durch z.B. video observed therapy (VOT), telefonische Visiten und Hausbesuche aufrechterhalten werden.
Eine verkürzte und besser verträgliche MDR-TB-Therapie hat das Potential, zu weniger Therapieabbrüchen zu führen. Die neue Medikamentenkombination in der TB-PRACTECAL-Studie zeigte nach 18-monatiger Nachbeobachtung vielversprechende Therapieergebnisse bei verbesserter Verträglichkeit gegenüber dem SOC. Es handelt sich jedoch um vorläufige Studienergebnisse und eine vollständige Auswertung der Daten fehlt derzeit noch [1]. Eine Vertreterin der WHO stellte auf der „Union“-Konferenz dennoch bereits in Aussicht, dass die Studiendaten aller Voraussicht nach Eingang in die geplante Aktualisierung der internationalen Empfehlungen zur Behandlung der MDR-TB finden werden. Aktualisierte Empfehlungen zur Behandlung von Patientinnen und -Patienten im deutschsprachigen Raum werden mit der neuen S2k-Leitlinie in den kommenden Monaten – veröffentlicht. In Deutschland ist weiterhin eine individualisierte MDR-TB-Therapie über 18 Monte auf Basis der Ergebnisse der Resistenztestung empfohlen. Erfahrung in der Durchführung der MDR-TB-Therapie und die strukturellen Voraussetzungen zur Nutzung der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeitensollten dabei vorhanden sein.
Änderungen internationaler Empfehlungen und neue Studiendaten werden regelmäßig unter Aktuelles auf der DZK-Internetseite zusammengefasst, kommentiert und ggf. für die Behandlung in Deutschland eingeordnet.
Literatur:
- Nyang’wa BT, Kloprogge F, Moore DAJ et al. Population pharmacokinetics and pharmacodynamics of investigational regimens’ drugs in the TB-PRACTECAL clinical trial (the PRACTECAL-PKPD study): a prospective nested study protocol in a randomised controlled trial. BMJ Open 2021; 11: e047185. doi:10.1136/bmjopen-2020-047185