Neuer Bericht des Robert Koch-Institutes für das Jahr 2022 – TB-Fallzahl auch in Deutschland erstmals wieder gestiegen
Das Robert Koch-Institut hat am 20. Dezember 2023 den jährlichen Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose (TB) in Deutschland veröffentlicht. Die Zahlen gelten für das Jahr 2022.
Insgesamt wurden deutschlandweit 4.076 neu diagnostizierte TB-Fälle registriert. Das entspricht einer Inzidenz von 4,9 Neuerkrankungen/100.000 Einwohner. Damit ist erstmals seit 2016 wieder ein leichter Anstieg der TB-Fallzahlen um 3,5% zu verzeichnen.
Demografisch zählten im Jahr 2022 erneut Männer (mit einer Inzidenz von 6,5/100.000 Einwohner fast doppelt so häufig wie Frauen) sowie junge Erwachsene in der Altersgruppe der 25- bis 29-Jährigen (Inzidenz von 10,7/100.000) zu den häufigsten von TB betroffenen Gruppen. Auch die Fallzahlen der Kinder-TB sind parallel zur Gesamtfallzahl gestiegen: Im Jahr 2022 erkrankten insgesamt 190 Kinder an einer TB (Inzidenz von 1,6/100.000), darunter am häufigsten Kleinkinder unter 5 Jahren.
Rund 71% aller Erkrankten hatten im Jahr 2022 eine ausländische Staatsangehörigkeit. Bei der Analyse nach Geburtsland waren mehr als drei Viertel im Ausland geboren und Afghanistan, die Ukraine sowie Rumänien wurden am häufigsten genannt. Der Großteil der Fälle (84%) wurde wie im Vorjahr nach passiver Fallfindung gemeldet, jedoch sind die Fallzahlen, die im Rahmen von gesetzlich vorgeschriebenen Screeninguntersuchungen entdeckt wurden (300 Fälle, Anteil von 8,6%; 2021: 171 Fälle, 5,1%), im Jahr 2022 anteilmäßig gestiegen. Entsprechendes gilt für Umgebungsuntersuchungen (183 Fälle, 5,3%; 2021: 162 Fälle, 4,8%).
Parallel zur Gesamtfallzahl ist auch die Inzidenz der multiresistenten (MDR-) TB deutlich gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr (2021: 77 Fälle, 2,6%) wurde im Jahr 2022 mehr als eine Verdopplung der MDR-TB-Fälle festgestellt (166 Fälle, 5,7%) mit dem höchsten Anteil bei Erkrankten, die in einem der postsowjetischen Staaten geboren wurden (29,8% vs. 1,7% bei in Deutschland Geborenen). Eine prä-extensiv resistente (prä-XDR-TB) und eine XDR-TB kamen in 33 bzw. 4 Fällen vor.
Die Entwicklung der TB-Fallzahlen bleibt deutlich hinter den von der WHO deklarierten Zielen für Niedriginzidenzländer wie Deutschland zurück. Um die jährliche TB-Inzidenz bis zum Jahr 2035 auf unter 1/100.000 Einwohner zu senken, müsste die Fallzahl jedes Jahr um mindestens 10% abnehmen. Dies war zuletzt in den Jahren 2019 und 2020 der Fall. Auch die Behandlungsergebnisse für TB bleiben im Jahr 2021 hinter den Zielen der WHO zurück (Zahlen aufgrund der langen Behandlungsdauer und verzögerten Datenübermittlung aus dem Vorjahr). Die bislang verfügbaren Daten zum Behandlungsergebnis aus dem Jahr 2021 ergaben 2.581 (77%) Fälle, in denen die Therapie erfolgreich abgeschlossen wurde (vgl. WHO-Behandlungsziel von 90%). Besonders ältere Menschen in der Altersgruppe >80 Jahre stellen mit einem Behandlungserfolg von lediglich 51% weiterhin eine Risikogruppe mit erhöhter Mortalität an TB, aber auch an anderen Ursachen, dar. In 5% der Fälle waren die PatientInnen unbekannt verzogen, sodass von ihnen kein Behandlungsergebnis ermittelt werden konnte – ein Hinweis auf besonderen individuellen Unterstützungsbedarf.
Zusammenfassend sind die TB-Meldezahlen für das Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr in allen Bereichen gestiegen und insbesondere durch den gestiegenen MDR- und Kinder-TB-Anteil von Relevanz für das öffentliche Gesundheitssystem. In Deutschland als ressourcenstarkem Niedriginzidenzland für TB ist ein vorrübergehend leichter Anstieg der Fallzahlen gut zu bewältigen. Jedoch bedarf es einer fortwährend guten Vernetzung und Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure im Gesundheitswesen, um weiterhin angemessen auf die sich wandelnde epidemiologische Situation reagieren und langfristig die international deklarierten Ziele erreichen zu können.