Verfügbarkeit von neuen Medikamenten für die Behandlung resistenter Tuberkulose in Europa
Das kürzlich von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Behandlungsregime BPaLM (Bedaquilin, Pretomanid, Linezolid und Moxifloxacin), bietet eine gegenüber den bisherigen WHO-Standards sicherere und wirksamere Behandlung von multiresistenter (MDR) und Rifampicin-resistenter (RR) Tuberkulose (TB). Ein großer Vorteil des Regimes ist die kurze Behandlungsdauer von nur sechs Monaten im Vergleich zu den 9-18-monatigen Behandlungen mit den vorherigen Standardregimen. Die verkürzte Therapie mit BPaLM wird auch in Deutschland bei MDR/RR-TB mittlerweile vorrangig empfohlen, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt sind und keine zusätzlichen Resistenzen die Therapie erschweren [1].
Die Implementierung dieser neuen Empfehlung ist jedoch in Deutschland wie auch in vielen anderen Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) schwierig. Im Oktober 2023 wurde daher durch das WHO-Regionalbüro für Europa eine Umfrage an die designierten nationalen Ansprechpartnern addressiert, um ein Bild von der Verfügbarkeit von Medikamenten zur Behandlung der MDR/RR-TB in Zentral- und Westeuropa zu bekommen und Zugangsbarrieren für die Behandlung mit BPaLM zu untersuchen [2].
An der Umfrage nahmen 18 von 29 angefragten Länder teil und die Ergebnisse zeigten, dass das Medikament Pretomanid nur in drei dieser Länder problemlos verfügbar ist. Da Pretomanid ein notwendiger Bestandteil der Behandlung mit BPaLM ist, muss auf eine längere und schlechter verträgliche MDR/RR-TB-Therapie ausgewichen werden, sofern Pretomanid nicht verfügbar ist.
Die angegeben Gründe für die eingeschränkte Verfügbarkeit der Medikamente des BPaLM-Regimes variierten von Land zu Land und spiegelten die Bedingungen innerhalb der jeweiligen Gesundheitssysteme wider. Häufig genannt wurden Probleme bei der Beschaffung und der Finanzierung innerhalb der Gesundheitssysteme. Die hohen Preise für Bedaquilin und Pretomanid spielen dabei der Umfrage zufolge eine Rolle.
Ebenso wurden die relativ geringen MDR/RR-TB-Fallzahlen in den zentral- und westeuropäischen Ländern als Hürde beim Zugang zu den Medikamenten genannt. Den Autorinnen und Autoren zufolge könnte dies ein Grund für fehlendes Interesse an einer nationalen Markteinführung oder Produktion dieser Medikamente sein.
Die Ergebnisse zeigen, dass dringend an nationalen oder gemeinsamen Lösungen auf europäischer Ebene gearbeitet werden muss, um die vollständige Verfügbarkeit der notwendigen Medikamente in Zentral- und Westeuropa zu erreichen. Auch andere wichtige Bausteine der TB-Versorgung wie kinderfreundliche Formulierungen und Rifapentin zur Verkürzung der präventiven Therapie sind im EWR nicht ausreichend verfügbar.
Insbesondere im Hinblick auf das Ziel der Eliminierung der TB in Europa muss sichergestellt werden, dass eine empfehlungsgerechte und patientenfreundliche TB-Therapie trotz sinkender TB-Fallzahlen möglich bleibt. Mit diesem Ziel und der wichtigen Unterstützung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) organisierte die WHO Europa am 3./4. Juni 2024 in Berlin ein europäisches Treffen, um an Lösungsmöglichkeiten zu arbeiten. Über die Ergebnisse des Treffens werden wir im nächsten Newsletter berichten.
Literatur
- Otto-Knapp R, Bauer T, Brinkmann F et al. Therapie bei MDR-, prä-XDR-, XDR-Tuberkulose und Rifampicin- Resistenz oder bei Medikamentenunverträglichkeit gegenüber mindestens Rifampicin – Amendment vom 19.09.2023 zur S2k-Leitlinie: Tuberkulose im Erwachsenenalter. Pneumologie 2024; 78: 35-46. DOI: 10.1055/a-2182-1609
- Otto-Knapp R, Edwards S, Kuchukhidze G et al. Rapid Communication – Availability of drugs for the treatment of MDR/RR-TB in the WHO European Region. Eurosurveillance 2024; submitted.