Neue Studie ermöglicht Unterscheidung zwischen aktiver und latenter Tuberkulose mittels diagnostischem „TB-Flow Assay“
Die Labor Berlin – Charité Vivantes GmbH hat gemeinsam mit dem Institut für Immunologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Kiel einen durchflußzytometrischen Immunoassay entwickelt, welcher mittels Phänotypisierung Tuberkulose-reaktiver T-Zellen und einem diagnostischen Score zwischen einer latenten Tuberkulose-Infektion (LTBI) und einer Tuberkulose-Erkrankung (TB) unterscheiden soll. Mit Hilfe dieses „TB-Flow Assay“ könnte die bisher meist langwierige und zum Teil schwierige diagnostische Unterscheidung zwischen einer LTBI und einer TB deutlich vereinfacht und die damit verbundenen Therapieentscheidungen beschleunigt werden. Die Ergebnisse der klinisch-experimentellen Studie wurden im Mai veröffentlicht [ERJ Publikation zum TB-Flow-Assay].
In der prospektiven Studie in Zusammenarbeit mit der Charité – Universitätsmedizin und der Lungenklinik Heckeshorn im Helios Klinikum Emil von Behring wurden die Blutproben von 81 HIV-negativen Patientinnen und Patienten mit kulturbestätigter TB (n=47) oder LTBI (n=34) vor bzw. zu Beginn einer antituberkulösen Therapie auf das Aktivitätsmuster ihrer TB-spezifischen T-Lymphozyten untersucht. Die Einteilung der Probanden und Probandinnen in die jeweilige Kohorte erfolgte dabei nach den geltenden Diagnosekriterien. Ein positiver Interferon-Gamma Release Assay (IGRA) bei gleichzeitigem Fehlen klinischer und mikrobiologischer Anzeichen einer TB in Kombination mit einer entsprechenden ärztlichen Einschätzung führten zum Einschluss in die LTBI-Kohorte. TB-Erkrankungen wurden auf Grundlage positiver mikrobiologischer Untersuchungen (Kultur, PCR, Histologie) oder einer eindeutigen Klinik diagnostiziert. Entscheidendes Einschlusskriterium für die zur Etablierung des Assays verwendeten TB-Kohorte war jedoch der kulturelle Erregernachweis in zeitlicher Nähe zur Probennahme. Die TB-Kohorte umfasste Patienten mit pulmonaler (n=30), extrapulmonaler (n=15) und gemischter (n=2) Beteiligung in der Altersspanne von 19 bis 84 Jahren. Etwa zwei Drittel (64%) der Probanden waren männlich (n=52).
Im Rahmen der Studie wurden die Blutproben beider Kohorten jeweils mit zwei unterschiedlichen Antigenpools (ESAT-6/CFP-10-Peptidepools und purified protein derivative, PPD) stimuliert und daraufhin die Anzahl der reaktiven CD4+ T-Zellen mittels Durchflusszytometrie bestimmt. Da die reine Quantität reaktiver T-Zellen noch keine sichere Diskriminierung zwischen aktiver und latenter Tuberkulose zuließ, wurde das spezifische Expressionsmuster von Aktivitätsmarkern der Zellen hinzugezogen. In vorangegangenen Studien war bereits eine Reihe von Markern (CD38, HLA-DR und KI-67) identifiziert worden, die zur Diagnose einer Tuberkulose-Erkrankung herangezogen werden können. Für sich genommen ließen diese Marker jedoch keine zuverlässige Unterscheidung einer latenten Tuberkuloseinfektion zu. Durch die kombinierte Auswertung der Expression mehrerer Marker in Form eines 12 Parameter umfassenden Scoring Systems konnte in der Studie jedoch zuverlässig zwischen TB und LTBI unterschieden werden.
Der Score des TB-Flow Assay wies dabei mit einer Sensitivität von mindestens 91% und einer Spezifität von mindestens 93% eine hohe diagnostische Aussagekraft auf. Die Unterscheidung gelang zuverlässig sowohl bei pulmonaler als auch extrapulmonaler Beteiligung. Der Assay war unabhängig von Geschlecht und Alter der Patienten und Patientinnen anwendbar und kann dank labortechnischer Standardisierungsmaßnahmen untersucherunabhängig und, bei gleicher gerätetechnischer Ausstattung, laborunabhängig zur Anwendung kommen.
Untersucht wurden auch Patienten und Patientinnen, die die Einschlusskriterien der TB-Kohorte nicht erfüllten. Unter den kulturnegativen Patienten und Patientinnen, bei denen nach ärztlicher Einschätzung eine TB-Erkrankung vorlag, identifizierte der TB-Flow Assay alle Fälle mit positiver TB-PCR. Eine geringere Übereinstimmung gab es bei den Fällen ohne Kultur- und PCR-Bestätigung, die ausschließlich anhand klinischer, radiologischer oder histologischer Befunde diagnostiziert wurden (6/9 Übereinstimmungen). Unklar blieb zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Daten, ob diese Fälle durch den TB-Flow Assay nicht erfasst werden, oder ob der Assay eine TB von einer LTBI besser abzugrenzen vermag als allein durch die klinischen, radiologischen und histologischen Daten möglich ist.
Wiederholungsmessungen im weiteren Verlauf der TB-Therapie zeigten im Mittel abnehmende Scorewerte im TB-Flow Assay mit dem Fortschreiten der Therapie. Dies korrelierte mit einer geringeren Aktivierung TB-spezifischer T-Zellen und könnte dem TB-Flow Assay zukünftig einen Stellenwert im Therapiemonitoring und einer frühen Beurteilung des Behandlungserfolges verschaffen.
Die einzelnen Ergebnisse der Studie liefern interessante Einblicke in die Pathogenese der Tuberkulose sowie die spezifische Immunantwort des menschlichen Körpers. Jedoch braucht es weiterer prospektiver und longitudinaler Untersuchungen, um diese Erkenntnisse zu bestätigen. In einem nächsten Schritt soll vor allem die Aussagekraft des Scores in besonders vulnerablen Patientinnen und Patienten evaluiert werden. Dazu gehören neben HIV-Koinfizierten und anderweitig immunsupprimierten Menschen auch Kinder und Jugendliche, bei denen die TB-Diagnostik jeweils aufgrund immunologischer Besonderheiten weiterhin eine Herausforderung darstellt. Auch die Anwendbarkeit des Scores in ressourcenschwächeren Regionen der Welt erfordert eine gesonderte Bewertung.
Die Methode zeichnet sich durch die einfache Probengewinnung und technisch standardisierte Durchführbarkeit aus und könnte in Industrienationen zur Diagnostik der TB beitragen. In Deutschland stellt weiterhin der direkte Nachweis von Tuberkuloseerregern mittels mikroskopischer, kultureller oder molekularbiologischer Verfahren den Goldstandard der Diagnose einer TB dar.
Literatur:
Mantei A, Meyer T, Schürmann M, Beßler C, Bias H, Krieger D, Bauer T, Bacher P, Helmuth J, Volk H-D, Schürmann D, Scheffold A, Meisel C. Mycobacterium tuberculosis-specific CD4 T-cell scoring discriminates tuberculosis infection from disease. European Respiratory Journal. 2022:2101780