Langzeitfolgen einer Tuberkuloseerkrankung bei Kindern und Jugendlichen
Im April 2023 wurde im Lancet Infectious Diseases eine systematische Literaturübersichtsarbeit über die möglichen Langzeitfolgen einer Tuberkulose (TB)-Erkrankung im Kindes- und Jugendalter veröffentlicht. Die Autor:innen (Vanessa Igbokwe, Studentische Mitarbeiterin beim DZK, et al.) beschreiben ein breites Spektrum somatischer und psychosozialer Residuen und deren Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen.
Trotz guter Heilungschancen bei adäquater TB-Therapie, weisen aktuelle Daten erwachsener TB-PatientInnen auf mögliche Langzeitfolgen über Jahre nach der Erkrankung hin (1). Diese Langzeitfolgen (je nach Studienlage 13 bis 87 % der untersuchten Population) können strukturelle Veränderungen des Lungengewebes, klinisch messbare Einschränkungen wie Ventilationsstörungen und fortbestehende Symptomlast umfassen (2-4). Die Gesamtheit möglicher pulmonaler Residuen bei Erwachsenen wird unter dem Begriff Post-Tuberculosis Lung Disease (PTLD) zusammengefasst und ist mit einer erhöhten Mortalität assoziiert (5). Über den Langzeit-Status pädiatrischer TB-Patienten war bislang wenig bekannt (6).
Auch bei Kindern stellt die pulmonale TB die häufigste Manifestation dar. Je jünger die Kinder, desto höher ist jedoch die Vulnerabilität für disseminierte und extrapulmonale TB-Manifestationen. Daher zielte die Übersichtsarbeit darauf ab, das Spektrum der Residuen bei Kindern möglichst umfassend aufzuzeigen. Die systematische Literaturanalyse umfasste Daten aus den Jahren 1947 bis 2022 von insgesamt 71 Studien, die 3529 pädiatrische PatientInnen (zum Diagnosezeitpunkt <18 Jahre alt) aktiv nachuntersucht haben. Die radiologischen und klinischen Untersuchungen fanden bis zu 36 Jahre nach abgeschlossener Behandlung statt. Die Mehrheit der PatientInnen hatte extrapulmonale TB-Manifestationen, angeführt von spinaler TB (n=32 Studien, n=1249 Kinder).
Fast alle Studien beschrieben organspezifische Residuen, die gravierendsten für die tuberkulöse Meningitis (n=17 Studien, n=872 untersuchte Kinder). Bis zu 100% der hier Untersuchten litten auch weit nach Behandlung an bleibenden motorischen Einschränkungen, Kopfschmerzen und Krampfanfällen, bis hin zu globalen Entwicklungsverzögerungen. Mögliche Folgen einer muskuloskelettalen und kutanen TB waren bleibende Deformitäten, Narben und Wachstumsstörungen, die zu anhaltender Stigmatisierung der Kinder führten. Abdominelle und urogenitale TB-Manifestationen führten zu Verwachsungen, die auch weit über die medikamentöse Therapie hinaus wiederholte Krankenhausaufenthalte und chirurgische Interventionen nötig machten – ein langer Leidensprozess in jungem Alter. Die wenigen Studien (n=6) zu pulmonaler TB identifizierten zu PTLD passende Residuen, fast jedes fünfte Kind zeigte hierbei radiologische Auffälligkeiten. Klinische Spätfolgen nach Lungen-TB wurden in Einzelfällen beschrieben, ein möglicher Zusammenhang zu den strukturellen Residuen blieb offen. Häufig genannte Risikofaktoren für die Entwicklung von Spätfolgen sind junges Alter der Kinder (v.a. Säuglings- und Kleinkindalter) sowie Schwere der Erkrankung.
Das Bild des Langzeitstatus einer TB-Erkrankung im Kindesalter kann auf den ersten Blick erschrecken. Trotz adäquater Behandlung verbleiben teils massive Einschränkungen der Lebensqualität und sozialer Teilhabe, bei jungen Kindern mit noch langer Lebenserwartung und inmitten entscheidender Entwicklungsphasen umso bedeutender. Allerdings treten Krankheitsbilder wie die tuberkulöse Meningitis und ihre gravierenden Spätfolgen in der Gesamtheit der Fälle zum Glück selten auf. Überdies sind die eingeschlossenen Studien überaus heterogen und es konnte keine Studie identifiziert werden, die eine durchschnittliche pädiatrische TB-Population in ausreichender Fallzahl auf Spätfolgen der Erkrankung hin untersucht hat. Nichtsdestotrotz unterstreicht diese Arbeit den Stellenwert einer systematischen Nachsorge nach TB insbesondere bei Kindern, um eventuelle Residuen möglichst früh zu identifizieren und die Lebensqualität auch über die akute Krankheitsphase hinweg langfristig zu verbessern.
Link zum Artikel: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36963920/
Literatur:
- Allwood BW, Byrne A, Meghji J, Rachow A, van der Zalm MM, Schoch OD. Post-Tuberculosis Lung Disease: Clinical Review of an Under-Recognised Global Challenge. Respiration. 2021; 100(8): 751-63.
- Ravimohan S, Kornfeld H, Weissman D, Bisson GP. Tuberculosis and lung damage: from epidemiology to pathophysiology. Eur Respir Rev. 2018; 27(147).
- Allwood BW, Myer L, Bateman ED. A systematic review of the association between pulmonary tuberculosis and the development of chronic airflow obstruction in adults. Respiration. 2013; 86(1): 76-85.
- Byrne AL, Marais BJ, Mitnick CD, Lecca L, Marks GB. Tuberculosis and chronic respiratory disease: a systematic review. Int J Infect Dis. 2015; 32: 138-46.
- Migliori GB, Marx FM, Ambrosino N, et al. Clinical standards for the assessment, management and rehabilitation of post-TB lung disease. Int J Tuberc Lung Dis 2021; 25: 797–813.
- Allwood BW, van der Zalm MM, Amaral AFS, et al. Post-tuberculosis lung health: perspectives from the First International Symposium. Int J Tuberc Lung Dis. 2020; 24(8): 820-8.