Der Trend rückläufiger Tuberkulose-Fallzahlen in Deutschland setzt sich fort
Das Robert-Koch-Institut hat am 8. Dezember 2021 den Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose (TB) für das Jahr 2020 in Deutschland veröffentlicht [1]. Bei insgesamt 4127 registrierten TB-Fällen im Jahr 2020 setzt sich der Trend rückläufiger Fallzahlen demnach fort. Mit 5,0 registrierten Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner wurde im Jahr 2020 die niedrigste Inzidenz für TB seit der Einführung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) verzeichnet. Nach einer vorübergehenden Zunahme der Fallzahlen in den Jahren 2015 und 2016 ist dieser rückläufige Trend bereits seit fünf Jahren zu beobachten und hat sich im Vergleich zum Vorjahr 2019 nochmal mit einem Rückgang der Fälle von -14 % fortgesetzt. Ob und inwieweit die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie einen Einfluss auf diese Entwicklung haben, lässt sich aufgrund des multifaktoriellen Hintergrundes aktuell noch nicht einschätzen.
Eine demographische Analyse der Meldedaten ergab, dass junge Männer weiterhin das höchste Risiko haben, an TB zu erkranken. Die Inzidenz war bei Männern mit 6,5 Fällen pro 100.000 Einwohner fast doppelt so hoch wie bei Frauen. Als häufigste betroffene Altersgruppe fielen die 20- bis 24-Jährigen mit einer Inzidenz von 11,4 Fällen pro 100.000 Einwohner auf. Die Mehrheit der TB-Erkrankten wies außerdem einen Migrationshintergrund auf: Nahezu drei Viertel (71 %) wurden außerhalb Deutschlands geboren. Bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren wurden mit 163 Fällen (Inzidenz 1,4 pro 100.000 Kinder) ebenfalls rückläufige TB-Fallzahlen registriert. Dennoch stellen Kinder weiterhin eine besonders vulnerable Gruppe unter TB-Erkrankten dar.
Die Mehrheit der TB-Fälle (88 %) wurde durch passive Fallfindung erfasst – dennoch kommt der aktiven Fallfindung im Rahmen von Umgebungsuntersuchungen und von Screeningmaßnahmen nach §36 Infektionsschutzgesetz mit 320 detektierten Fällen eine wichtige Bedeutung zu. Die Lungentuberkulose war mit einem Anteil von 71 % die häufigste Manifestationsform. Die überwiegende Anzahl (86 %) wurde als offen und damit ansteckungsfähig registriert, davon war wiederum die Hälfte (50 %) mikroskopisch positiv, was auf eine höhere Infektiosität hinweist. Von den insgesamt 1161 extrapulmonalen Tuberkulosen (28 %) waren die Lymphknoten am häufigsten betroffen.
Der relative Anteil an multiresistenten TB-Erregerstämmen ist im Vergleich zum Vorjahr in etwa unverändert mit 2,7 %, während die absoluten Fallzahlen (insgesamt 79 Fälle) entsprechend der epidemiologischen Gesamtentwicklung abgenommen haben.
Im Jahr 2020 wurde mit 108 TB-bedingten Todesfällen eine Mortalität von 0,13 % pro 100.000 Einwohner registriert. Unter den bisher vorliegenden Behandlungsergebnissen wurde die TB-Therapie in 78 % der Fälle erfolgreich beendet. Unterschiede zeigten sich bei der Analyse nach Bundesländern. Bei älteren Patientinnen und Patienten fällt der Behandlungserfolg mit ca. 50 % deutlich geringer aus – in dieser Kohorte sind altersbedingte Ursachen des Todes häufiger und gehen in die Bewertung der Mortalität ein. Insgesamt bleibt Deutschland jedoch weiterhin klar unter dem deklarierten Ziel der WHO von 90 % erfolgreich abgeschlossener TB-Behandlung, da neben der Mortalität auch Faktoren wie Therapieabbrüche und nicht erfolgreiche Nachverfolgung (z.B. durch Transfer nach unbekannt) in die Analyse einfließen.
Zusammenfassend zeigt sich ein weiterhin rückläufiger Trend bei den Tuberkulosefallzahlen in Deutschland. Die Gründe hierfür sind multifaktoriell, neben verminderter Migration aus Ländern mit höherer TB-Inzidenz nach Deutschland kann eine Unterdiagnostik durch die Bedingungen der SARS-CoV-2-Pandemie nicht ausgeschlossen werden. Weltweit ist die Mortalität der TB gestiegen und es wird ein Anstieg der Fallzahlen erwartet (WHO 2021) [2]. Die weitere Entwicklung der TB-Fallzahlen muss auch in Deutschland abgewartet werden. Die Behandlungserfolge bleiben weiterhin hinter den Erwartungen für ein Niedriginzidenzland mit einem hochentwickelten Gesundheitssystem zurück und könnten durch Stärkung der Behandlungsstrukturen verbessert werden. Einen Beitrag dazu kann die neue S2k-Leitlinie zur Behandlung der TB leisten, die in den nächsten Monaten veröffentlicht wird.
Literatur
- Robert Koch-Institut. Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2020. Berlin. Robert Koch-Institut; 2021
- World Health Organization. Global Tuberculosis Report. Geneva: World Health Organization; 2021